Das
Beste aus zwei Welten
Von
der Klassik zum Jazz und gelegentlich wieder zurück: das ist
eine Kurzbeschreibung des Werkens und Wirkens des amerikanischen
Musikers Daniel Smith. An sich nichts Ungewöhnliches, könnte
man meinen, wäre es nicht ein ziemlich sperriges Instrument,
das Smith sich da auserkoren hat: das Fagott. Wobei Smith nicht
von Anfang an auf das Fagott festgelegt war, sondern sich in den
Jahren davor auch auf Saxophon, Flöte und Klarinette profilierte.
Hatte Smith sich einst auf dem Gebiet der Klassik den kompletten
Fagott-Konzerten von Vivaldi gewidmet, 37 an der Zahl, und diese
alle auf CD eingespielt, so grast er derzeit die Jazzepochen ab:
nach Bebop Bassoon erschien jetzt sein neues Album The
Swingin Bassoon (Zah Zah Records) den Klängen
des Fagotts im Jazzkontext zu lauschen und ihnen nachzuspüren,
sei hiermit wärmstens empfohlen.
jazzzeitung: Daniel, du bist gleichermaßen in der Klassik
wie im Jazz zuhause. Warum gibt es so wenige anderen Fagottisten,
die das ebenso beherrschen?
Daniel Smith: Der Durchschnittshörer und selbst viele
Musiker haben keine Ahnung, wie schwierig es ist, das Fagott zu
meistern. Ähnlich der Geige gilt es als Zehn Jahre-Instrument.
So lange nämlich braucht man, bis man es beherrscht
wohingegen man das Saxophon bereits nach zwei Jahren intensiven
Übens und mit Hilfe eines guten Lehrers recht anständig
spielen kann. Und selbst dann, wenn man es in der Klassik,
wohl bemerkt! zum erstrangigen Fagottisten mit professionellem
Niveau geschafft hat, bedeutet der Versuch, auf diesem Instrument
Jazz zu spielen, einen wahren Albtraum an technischen Problemen.
Die gleiche Jazzphrase, die auf dem Saxophon leicht auszuführen
ist, wird auf dem Fagott um ein mehrfaches schwieriger. Dabei ist
es egal, ob sie aufnotiert wurde, oder ob man improvisiert.
jazzzeitung:
Selbst als anerkannter Virtuose im Klassikbereich nützen dir
deine Fertigkeiten auf dem Instrument so gut wie gar nichts, wenn
du dich in Jazzgefilde begibst. Du musst quasi ein paar Jahre erneut
die Schulbank drücken und erst die Grundlagen des Improvisierens
auf diesem Instrument erarbeiten. Irgendwann gelingt es dann, auch
die klassischen Techniken nutzbringend einzusetzen.
Smith: Hier sehe ich den Grund, warum es so gut wie keine anderen
Fagottisten zu geben scheint, die sich in beiden Genres wohl fühlen:
Um das zu tun, muss man erst die Leiter zum klassischen Virtuosentum
erklimmen und dann, indem man von Null neu anfängt, dasselbe
mühsam als improvisierender Jazzmusiker nachvollziehen. Weil
das aber Jahre dauert, ist es nicht jedermanns Sache. Ich persönlich
bin froh, dass ich mich dieser Herausforderung gestellt habe.
jazzzeitung:
Wo der klassische Musiker dem Schauspieler gleicht, der den Noten
des Komponisten wie den Bühnenanweisungen des Regisseurs folgt,
kann der Jazzmusiker wirklich besser seine Gefühle ausdrücken?
Wie stehst du als Mann der zwei Welten dazu?
Smith: Das mit dem Jazz und den Gefühlen würde
ich so unterschreiben. Die Improvisation eröffnet dem Spiel
aber grundsätzlich Welten, wobei der Reiz darin besteht, dass
man nie vorher weiß, wohin es führen mag weder
an einem bestimmten Tag, oder insgesamt über die Jahre. Idealerweise
bildet jeder neu erarbeitete Mosaikstein eine Stufe auf der Leiter,
von der aus man sich noch weiter nach oben strecken kann. Das gilt
auch für die eigene Kreativität irgendwann stellt
man fest, dass man alles, was man in der Lage ist, sich vorzustellen,
auch umsetzen kann. Gleichzeitig lernt man, viele Takte vorauszudenken
und den Kurs dessen zu bestimmen, was folgen soll. Das wird so intuitiv,
wie beim Sprechen einen Satz zu bilden. Wenn man in diesem Alpha-Zustand
ist so hat Stan Getz das genannt dann hört man
ganze Passagen voraus, während man noch dabei ist, eine bestimmte
Phrase erst zu spielen. Die Ideen fliegen einem voraus, scheinbar
mühelos. Aber frag mich nicht, wie ich habe keine Ahnung,
ich weiß nur, dass es geht! Es passiert einfach. Das ist ja
eines der vielen Mysterien, wie das Gehirn funktioniert. Oder wie
die Finger dem folgen
jazzzeitung:
Du hast ja auch Saxophon und Klarinette gelernt und gespielt. Konzentrierst
du dich in letzter Zeit auf das Fagott?
Smith: Sogar ausschließlich! Wie Stan Getz zu sagen
pflegte, man benötigt sein ganzes Leben, um ein Instrument
wirklich zu beherrschen. Und er, Getz, würde nicht im Traum
daran denken, irgendein Instrument neben dem Tenorsax auch nur in
die Hand zu nehmen! Aber wusstest du schon, dass Getz in der Highschool
Fagott gespielt hat und für dieses Instrument sogar ein Stipendium
erhalten hatte? Und zwar an der Morris High School in der Bronx.
Meine ersten Lektionen am Saxophon erhielt ich dort vom gleichen
Lehrer, der seinerzeit auch Stan Getz unterrichtet hatte. Das war
Bill Sheiner. Und es war sogar der gleiche Unterrichtsraum, in dem
auch Getz das Saxophonspielen gelernt hat nur eine Generation
vor mir
Interview:
Carina Prange
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